Im letzten Post dieser kleinen Reihe, die parallel auch beim Verlag erscheint, hatte ich Ihnen sinnorientierte Führung als eine Philosophie vorgestellt, die mit Mitteln der Vernunft die Frage nach dem Wozu im Führungshandeln beantwortbar macht. Eine Anleitung zur sinnorientierten Führung hatte ich dort versprochen und mit ihr eine nachhaltige und ethische Basis. Aber wie hängen nun Sinn und Ethik zusammen, oder anders gefragt: was lässt mich als Führungskraft sicher sein, dass ein sinnvolles auch ein ethisches Handeln ist?
Frankls Wege zum Sinn
Viktor Frankl bestimmte drei mögliche Hinführungen zum Sinn, nämlich die Schaffenswerte, die Erlebenswerte und die Haltungswerte. Erste beziehen sich auf Werke jeglicher Art, die erschaffen zu haben ihren Urheber erfüllt. Erlebenswerte beziehen sich auf Situationen und Beziehungen, die erlebt zu haben erinnerns- und bewahrenswert ist, während die Haltungswerte Menschen dadurch adeln, dass sie trotz Anfechtungen und Herausforderungen (z.B. Leid, Not, Schicksalsschläge usw.) Größe beweisen. Allen dreien ist gemeinsam, dass sie nicht auf Kosten Dritter, sondern allenfalls nur zugunsten Dritter verstanden und ausgefüllt werden können.
Sinn ist notwendig auf den Anderen bezogen
Nach den Wegen zum Sinn ist auch der Sinn an sich notwendig von ethischer Qualität. Frankl versteht Sinn als den Zuruf des Lebens an einen einzelnen Menschen in einer konkreten Situation. Es geht also um die Frage, wozu ich (von Anderen oder Anderem) gebraucht werde. Diese Perspektive stellt immer das Du und eine potenzielle Bedürftigkeit in den Vordergrund und eben kein Eigeninteresse oder gar eine destruktive Motivation.
Eine weitere Facette von Frankls Sinndefinition ist dessen transzendente Qualität. Damit ist gemeint, dass Sinn notwendig über mich selbst hinausgreift. Sinn kann nicht mich alleine meinen, dann ist er nicht sinnvoll. Das ist auch kein Widerspruch zu den oben erwähnten Erlebenswerten. Einen besonderen Moment (Musikstück, Natureindruck, Empfindung usw.) als besonders erinnernswert zu speichern bedeutet gleichzeitig, an der Welt teilzuhaben. Auch hier geht es nicht um mich allein, sondern um Teilhabe.
Das Gute ist auch das Schöne
Die ästhetische Qualität des Sinns ist an sich ebenfalls wichtig und gehört auch in die Reihe der Argumente, die seine zutiefst ethische Natur belegen. Menschen orientieren sich auf den Sinn hin, eben weil er Glanz hat und nicht dunkel ist. Was sinnvoll ist, ist an sich schön und erstrebenswert oder, wie Wilhelm Schmid sagt, grundsätzlich bejahenswert. Der Eigennutz, die Zerstörung, die Aggression usw. haben diese Eigenschaft nicht.
Wie kann man ein Sinnbild prüfen?
Sinn wurde weiter als mit Mitteln des Geistes und der Vernunft zugänglich beschrieben. Wenn er mindestens eine rationale Seite hat, dann muss ihn also erfragen und verstehen, erklären und vermitteln können. Das ist gerade im Führungshandeln wichtig, weil Sinn vorgestellt, besprochen und geteilt, vielleicht sogar kokonstruiert werden muss. Elisabeth Lukas (2011) hat eine Reihe von Kriterien definiert, die ich als Fragen operationalisiert habe:
- Was hat eine überragende Chance, Gutes zu bewirken?
- Was betrachtet das Wohl aller Beteiligten?
- Was ist frei von selbstsüchtiger Motivation?
- Was ist im Hier und Jetzt äußerst konkret?
- Was über- und unterfordert (mich) nicht?
- Was ist mit erfahrenen Menschen konsensfähig?
- Was lässt mir die Kraft zufließen, es zu wollen?
Die Fragen prüfen die „Umwelttauglichkeit“ dessen, was man als Sinngegenstand oder „Sinnbild“ ausmacht. Sie erforschen also, ob das im „Sinnbild“ Enthaltene nicht etwa nur für den Sprecher bzw. die Führungskraft gut ist, sondern vielmehr auch für dessen Umwelt. Insofern beinhaltet ein Sinnbild immer die Prüfung aus einer Außensicht – was es zugleich wesentlich unterscheidet von einem Wert, der mein ureigener sein kann und von niemandem geteilt werden muss. Das aber macht ihn auch sehr anfällig für ethische Irrtümer.
Sinn in der Organisation
Das Stichwort der Kokonstuktion verweist auf eine besondere Eigenschaft des Sinns im Führungshandeln. Eine einzelne Führungskraft und mehr noch eine Organisation, die sich einem Sinn verschreiben will, tut gut daran, dieses Sinnbild anschlussfähig zu machen, da Sinn ja nie verordnet, sondern nur gefunden werden kann. Wenn aber jeder einzelne Mitarbeiter sich in einem bestimmten Sinnbild wiedererkennen muss, dann erfordert dies gelegentlich die Deutungsoffenheit, das Sinnbild bis zu einem bestimmten Punkt sozusagen gemeinsam ausmalen zu können. Auch hier fließt die Prüfung des Sinns durch Dritte als wichtige Absicherung ein, dass dieses Sinnbild nicht einfach nur mir alleine dient und gefällt. Dabei findet die Absicherung hier nicht erst im Nachhinein, sondern bereits beim Erstellen des Sinnbildes statt. Im Dialogprinzip der Konstruktion ist angelegt, was der Sinn ist und tut, nämlich ein Ich auf ein Du zu beziehen.